Eindrücke auf der Reise Kassel Dresden am 29.10.
Sturm Herwart
Eigentlich ist es ein schöner Herbsttag. Ich bin 4 Uhr Mittags bei gleißender Herbstsonne in meinen ersten Zug gestiegen. Richtung Dresden, mitten durch eine der stärker betroffenen Regionen. Doch los geht es schon in Kassel.
Da von morgens neun an alle Verbindungen im von Kassel-Wilhelmshöhe, Berlin, Hamburg, Emden, Kiel, Magdeburg etc. umfassten Raum gesperrt sind, ist schon absehbar, wo es sich stauen wird.
So kommt es auch, dass um viertel vor vier ein Zug in Kassel Hbf einfährt und sich ein Strom von Menschen auf den Bahnsteig ergießt und auf mein Gleiß zuströmt. Am Gleiß gegenüber fährt nämlich einer der seltenen Züge in Richtung Göttingen, mitten im Sperrgebiet gelegen, der auch sofort regelrecht geflutet wird von der ankommenden Welle Ankommensverbissener. Circa 600 Menschen für einen schon vor ihrer Ankunft zu 2/3 gefüllten Zug – offensichtlich, dass das schief geht.
Doch neben all der grassierenden Unflexibilität, Stresszigaretten und Versagensdokumentierer, ich meine dieses Mal war es ja sowas von absehbar, zeigt sich doch auch, dass in diesem Land noch nicht alles verloren ist;
Wann, wenn nicht an solchen Tagen, bringt Bahnfahren die Menschen so zusammen?
Man hilft sich gegenseitig, völlig ungezwungener freundlicher und auch mitfühlender Smalltalk bevölkern den Zug. Fast jeder ist auf einmal offener, der Gegenüber in der gemeinsamen Misere ein Stück weniger fremd, die Anteilname ehrlich und solidarisch – wollen wir nicht dahin zurück? Oder dahin? So jedem Tag sein?
Solche Tage zeigen, warum Bahnreisen, anders als Fliegen oder Fahren, unnachahmliche Möglichkeiten hat Gemeinwesen und Gesellschaft zu leben. Abzubilden wie wir sind, oder wie heute, sein könnten und vielleicht sogar, oder hoffentlich, sein wollen.
Ein kleiner Traum meinerseits, weshalb ich auch die db mobil Kolumne von Thilo Mischke so gerne lese. Die Bahn, ein Ort der Begegnung, des sozialen Kontakts und bei guter Preispolitik auch ein Ort der gesellschaftlichen Vielfalt.
Wie wir ihn mit Leben füllen und ihn leben zeigt sich jeden Tag neu. Das jeder Tag ein bisschen mehr so ist wie Heute ist, wäre in meinen Augen ein erstrebenswertes Ziel, auch; mein Traum!
Auf das wir „Bahnland Deutschland“ zu einem Begriff machen der weltweit positive und einzigartige Assoziationen hervorruft – okay das war jetzt eher Utopie als Traum 😉
Einer kleinen Ergänzung bedarf es noch. Der Schaffner, der die in Kassel Hbf gestrandeten zu verantworten hatte, war zufälligerweise auch mein Schaffner im ICE von Bad Hersfeld nach Leipzig Hbf. Was einem durch ein bisschen Smalltalk so alles an Informationen verfügbar wird – ein passender Nachtrag zu mehr Interaktion mit anderen in der Bahn!